Lebenslauf einer Wissensdurstigen
Wer bin ich und wenn ja wie viele? Diese Frage treibt mich schon seit Jahren um.
Hallo, ich bin Susanne, ich bin 39 Jahre alt und ich kann mich nicht festlegen. Schon seit ich denken kann treibt mich die Frage um, was ich eigentlich „mal machen möchte“. Schon als Kind wusste ich nicht, was ich mal werden wollte. Ich war ein stilles, in sich gekehrtes Menschlein, das lieber zuhörte, las und lernte, statt sich an Gesprächen zu beteiligen. Wo ich ging, stand und lag hatte ich ein Buch in der Hand. Hatte ich kein Buch in der Hand und spielte mit Freundinnen oder Geschwistern gab es zwei Möglichkeiten: Wir spielten Familie wobei ich IMMER die Mutter war (vermutlich weniger wegen meiner kinderlieben Art sondern weil ich dann endlich einmal die vernünftige, Erwachsene spielen durfte, die ich immer war). Oder wir spielten Arbeit. Entweder mit meiner kleinen Poststation, mit der ich hingebungsvoll Briefe schrieb, Umschläge beschriftete und stempelte sowie Briefmarken aufklebte. Oder wir bastelten Zeitschriften. Das machte ich am liebsten. Sätze, Buchstaben, Worte und Bilder ausschneiden und neu und schöner und sinnvoller zusammenkleben.
Als ich dann eine Ausbildung machen sollte, wusste ich immer noch nicht, was ich werden wollte. Bibliothekarin eigentlich. Nur ich und Bücher, den ganzen Tag. Meine Eltern fanden das doof (das ist langweilig und Du sitzt den ganzen Tag in staubigen Räumen ohne Tageslicht) und machten Vorschläge wie Masseurin, Physiotherapeutin (ein Beruf mit Zukunft!), Reiseverkehrskauffrau oder Schriftsetzerin. Als Alternative zur Bibliothekarin wollte ich noch Fremdsprachenkorrespondentin (da verdient man ja nix) werden oder vielleicht Raumausstatterin (da darfst Du dann zukünftig Sparkassen und Büros einrichten).
Ausbildung in Satz und Bild
Da ich eine brave Tochter war, bewarb ich mich als Reisekauffrau und Schriftsetzerin. Der Test im Berufsbildungszentrum spuckte mir tolle Berufe wie: Fischwirtin, Pferdewirtin und Tierpflegerin (da verdient man ja nix!) aus. Heute verstehe ich, warum, denn eines meiner wichtigsten Argumente bei der Berufswahl war: Ich arbeite alleine, nicht mit Menschen. Nunja, long story short. Ich machte eine Ausbildung zur Schriftsetzerin. Ich hatte also Buchstaben, etwas mit Büchern zu tun und konnte Bilder bearbeiten. Rückblickend nicht verkehrt. Die Ausbildung war toll, ich liebte sie. Was danach kam war nur als pures Grauen zu beschreiben. Durfte ich in der Ausbildung noch – im Rahmen – kreativ sein, wurde ich danach in die Anzeigenabteilung verfrachtet (Bildbearbeitung wäre mir lieber gewesen). Neben einem Großraumbüro, in dem zum Großteil alte Männer saßen, musste ich Schicht arbeiten und leblose Zeitungsanzeigen „gestalten“.
Ich verdiente einen Haufen Geld, hasste mein Leben und meinen Job aber so sehr, dass ich monatelang krank war. Ich machte mir noch nie viel aus Geld, außer Büchern und Computerspielen kaufte ich mir sowieso nichts davon. Ich wollte nicht einmal ein Auto. Mein Desinteresse an diesen Dingen stieß immer wieder auf Unverständnis. Inzwischen hatte ich mich selbst komplett verloren und wusste gar nicht mehr, was ich eigentlich will. Das bürgerliche Leben hatte mich voll im Griff. Ich kündigte irgendwann und bekam einen Job in einer Agentur. Anfangs war ich begeistert, vor allem von den netten Kollegen (jung) und dem kleinen Büro, in dem wir nur zu sechst saßen. Außerdem hatte ich tatsächlich Internetanschluss.
Lebenslauf mit Umwegen
Nach ein paar Monaten stellte sich heraus, dass ich irgendwie als Hilfe für niedere Arbeiten eingestellt worden war und Exceltabellen beschönigen sollte. Meist schaffte ich mein Tagespensum in 4-5 Stunden, musste aber 8 anwesend sein. Das war nun schon der zweite Job, in dem ich vor allem mit Langweile und Anspruchslosigkeit konfrontiert wurde. Ich kündigte nach 10 Monaten wieder und beschloss, eine Ausbildung zur Webdesignerin zu machen.
Ab hier wird es nicht so richtig besser mit meinem kruden Lebenslauf, denn alleine daheim sitzen und lernen war es nun auch nicht so ganz. Nebenbei verdiente ich Geld, in dem ich 3 Gruppen von Frauen beim abnehmen betreute. An sich ein netter Job, mich nervte nur, dass ich abends arbeiten musste und mich eigentlich den ganzen Tag langweilte. Langeweile spielt eine große Rolle in meinem Leben wie man sieht. Mit meiner Freizeit wusste ich außer Lesen nix anzufangen.
Von Heilpraktikern und Katastrophen
Ich beschäftigte mich weiterhin mit der Frage, was ich eigentlich machen will. Medizin war schon immer etwas, was mich brennend interessierte, Ärztin werden kam aber aus mehreren Gründen nicht in Frage. Die Art der Arbeit würde mir keinen Spaß machen. Also machte ich eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Zur gleichen Zeit kauften wir ein Haus und ich arbeitet fortan in einem Verlag als Korrektorin. Das erste Jahr dort war prima, ich liebte meinen Job, doch dann meinte man, mich in ein Großraumbüro mit 20 anderen Frauen verfrachten zu müssen. Ich hielt einige Monate durch und kündigte dann. Meine Ausbildung zur Heilpraktikerin war abgeschlossen, also machte ich mich mit eigener Praxis selbstständig.
Nach 2 Jahren lief es immer noch nicht sonderlich gut und als dann eine persönliche Katastrophe mein – unser – Leben erschütterte, war ich monatelang nicht in der Lage, mich um irgendjemanden außer mir selbst zu kümmern. Da die Praxis mehr Geld kostete als ich einnahm, biss ich in den sauren Apfel und schloss sie. Nebenbei hatte ich noch in einem Fitnessstudio als Masseurin gearbeitet. Da mir dort aber zunehmend die Stunden gekürzt wurden, musste eine neue Lösung her.
Karrierebeginn als Texterin
Eine zeitlang ging ich putzen. Nebenbei begann ich, Texte zu schreiben. Wir schreiben das Jahr 2012. Das Internet boomte und überall wurden SEO-Texte gebraucht. Also reihte ich mich in die lange Schlange der Hausfrauen, Studenten und Rentner ein, die damit ihr Taschengeld aufbesserten. Für einen Hungerlohn lieferte ich Texte am Fließband. Ich arbeitet mindestens 6 Tage die Woche und schrieb 6-8 Stunden am Tag. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich genug Arbeit und das Gefühl, das passt für mich. Ich bekam immer und ausnahmslos Lob für meine Texte.
Sie waren nichts besonderes, meistens wie gesagt SEO-Texte. Aber man kann auch SEO-Texte gut schreiben. Am meisten Spaß hatte ich dabei an der Recherche. Statt irgendwo Texte umzuschreiben – wie viele andere Texter das machten – verbiss ich mich in ein Thema und gab es mit meinen eigenen Worten wieder. Wenn ich etwas über Vitamine schreiben sollte, las ich mindestens 5 verschiedene Texte, die es dazu schon gab, guckte, was Wikipedia dazu zu sagen hat, folgte Verlinkungen und zerpflückte Studien. Ich hatte nie eine Schreibblockade. Ich habe nie irgendwelche Schreibtipps befolgt und schon gar nicht habe ich mit der Überschrift angefangen, um einen „roten Faden“ für meine Texte zu haben. Ich schrieb von innen heraus und über mein gesammeltes Wissen.
Zusammengefasst
Im Laufe eines Texterlebens kommt da einiges zusammen. Am liebsten hatte ich medizinische Texte. Wenn ich irgendwo etwas las fragte ich mich immer: Warum? Warum wird das so gemacht, so empfohlen, was steckt dahinter? Nicht selten bin ich so bis an den Kern von Themen vorgedrungen. Ich bin viel rumgekommen im Netz und kann gute von schlechten Quellen und Texten unterscheiden. Ich weiß, wie man googeln muss, um gute Ergebnisse zu bekommen und Zeit zu sparen. Ich weiß auch, dass extrem viel Müll verbreitet wird – und damit meine ich nicht den offensichtlichen Müll. Ich weiß auch, wie lange es dauert, bis sich wichtige Erkenntnisse verbreiten.
Im Jahr 2017 wollte ich mein Leben noch einmal auf den Kopf stellen. Ich habe dazu hier schon einiges geschrieben. Und hier, warum ich jetzt doch wieder alles anders mache. Es hat zwar 20 Jahre gedauert, aber ich weiß jetzt, dass ich gut recherchieren, schreiben und Dinge zusammenfassen kann. Und das Wissen der Menschheit wächst jeden Tag. Vielleicht wächst es auch nicht mehr, es verbreitet sich nur endlich. Und alles geht so schnell, dass jedes Fachbuch schon wieder veraltet ist, bevor er erschienen ist. Manchmal genügen Zusammenfassungen für einen ersten Überblick. Mit Quellenangaben, welche die neuen Medien endlich einmal mit einbeziehen.
Ich lese zwar lange nicht mehr so viele Bücher wie früher, dafür komme ich immer noch extrem viel rum. Ich interessiere mich für so viele Themen und kann immer noch Schmu von echtem Mehrwert unterscheiden. Ich mache weder halt vor Podcasts noch Videos, ich hab da ein paar sehr interessante Menschen in meiner Timeline bei Instagram und entgegen vieler Meinungen gibt es tatsächlich richtig gute Facebook-Gruppen. Zusammenfassungen, die Deinen Horizont erweitern. Mit Quellenangaben aus dem ganzen Netz, um Dich bei Bedarf tiefer reinzufuchsen. Die Zusammenfasserin oder Enzyklopädie 3.0, das wäre der richtige Job für mich.